Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

Beiträge veröffentlicht in “Gedichte”

Vögel Heinz Erhardt

Gedicht - Vögel - Heinz Erhardt

 

Vögel 

Vögel sind, so steht’s im Brehm,
Tiere, welche fliegen,
singen meistens angenehm
und sind schwer zu kriegen.
Fliegen ohne Unterlass,
auch bei größter Hitze,
wär ich Vogel, ließ ich das,
weil ich so leicht schwitze.

Heinz Erhardt 

Die unmögliche Tatsache | Christian Morgenstern

Die unmögliche Tatsache

Palmström, etwas schon an Jahren,
wird an einer Straßenbeuge
und von einem Kraftfahrzeuge überfahren.
Wie war (spricht er, sich erhebend
und entschlossen weiterlebend)
möglich, wie dies Unglück, ja -:
daß es überhaupt geschah?
Ist die Staatskunst anzuklagen
in Bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift?
Oder war vielmehr verboten
hier Lebendige zu Toten
umzuwandeln – kurz und schlicht:
Durfte hier der Kutscher nicht -?
Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist alsobald im klaren:
Wagen durften dort nicht fahren!
Und er kommt zu dem Ergebnis:
Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil, so schließt er messerscharf,
nicht sein kann, was nicht sein darf.

Christian Morgenstern 

Sehnsucht | Joseph von Eichendorff

Sehnsucht

Es schienen so golden die Sterne
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!
Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.
Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht. –

Joseph von Eichendorff 

Einsame Weihnacht | Bernhard Lesche

Einsame Weihnacht

Es geht der Wind im Tann, die mächt´gen Bäume rauschen
und leise heult´s im Schlot – ich sitz dem Wind zu lauschen.
Da draußen steht ein Stern im dunklen Himmelsmeere.
Sein Licht eilt Jahre schon durch grenzenlose Leere
und gibt in dieser Nacht uns schimmernd schwache Kunde
von wildem Feuerball und fremden Sonnenrunde.
Unendlich einsam ist des Lebens Inselgarten;
vom Himmel kann der Mensch nicht Schutz noch Trost erwarten.
In solcher Winternacht ist´s gut sich zu gesellen
zu Mensch und Tier, zum Lebigen mit warmen Fellen.
Ein guter Ort ist so ein Stall mit Rind und Schafen.
Da kann sogar ein Neugeborner ruhig schlafen.

Bernhard Lesche 

Mondnacht | Joseph von Eichendorff

Mondnacht

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

Joseph von Eichendorff 

Über de Heide | Theodor Storm

Über de Heide

Über die Heide hallet mein Schritt;
Dumpf aus der Erde wandert es mit.
Herbst ist gekommen – Frühling ist weit –
Gab es denn einmal selige Zeit?
Brauende Nebel geistern umher;
Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.
Wär’ ich hier nur nicht gegangen im Mai!
Leben und Liebe, – wie flog es vorbei!

Theodor Storm 

Die Hälfte meines Lebens | Friedrich Hölderlin (1803)

Die Hälfte meines Lebens

Mit gelben Birnen hänget
und voll mit wilden Rosen
das Land in den See,
ihr holden Schwäne,
und trunken von Küssen
tunkt ihr das Haupt
ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm ich, wenn
es Winter ist, die Blumen, und wo
den Sonnenschein,
und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
sprachlos und kalt, im Winde
klirren die Fahnen.

Friedrich Hölderlin (1803) 

Der Lindenbaum | Wilhelm Müller

Der Lindenbaum

Am Brunnen vor dem Tore,
Da steht ein Lindenbaum;
Ich träumt’ in seinem Schatten
So manchen süßen Traum.
Ich schnitt in seine Rinde
So manches liebe Wort;
Es zog in Freud und Leide
Zu ihm mich immer fort.
Ich musst’ auch heute Wandern
Vorbei in tiefer Nacht,
Da hab ich noch im Dunkel
Die Augen zugemacht.
Und seine Zweige rauschten,
Als riefen sie mir zu:
Komm her zu mir, Geselle,
Hier find’st du deine Ruh’!
Die kalten Winde bliesen
Mir grad ins Angesicht,
Der Hut folg mir vom Kopfe,
Ich wendete mich nicht.
Nun bin ich manche Stunde
Entfern von jenem Ort,
Und immer hör’ ich’s rauschen:
Du fändest Ruhe dort!

Wilhelm Müller 

Toter Mann im Westen | Wolf Wondratschek

Toter Mann im Westen

Ein x-beliebiger Tag,
ein Hotel im Westen,
unser Mann gibt die Abschlüsse durch,
bestellt einen Bourbon, geht zum Fenster
und schaut hinaus. Und da alles
aussieht wie immer, glaubt er
an seine Chance.
Er will nach oben,
ohne Zeitverschwendung,
ohne Gefühl.
Er hasst seine Frau,
liebt die Kinder und pisst,
während er auf den Bourbon wartet,
ins Waschbecken.
Für Geld tut er alles,
sogar umsonst.
Er lebt lustlos,
in der Hoffnung, dass den andern
auch dabei der Spass vergeht.
Er ist ein Profi. Er hat öfter getötet
als ein Mörder. Aber diesen Tag wird er
nicht überleben.
Er fasst sich ans Herz, fühlt die Brieftasche
und den Terminkalender
und stirbt.
Es geht schnell.
„Lass dir Zeit“ ist das letzte,
was er denkt.
Den Bourbon kippt der Kellner,
als er ihn liegen sieht.

Wolf Wondratschek 

Leben am meer. Findet das freifunk festival wieder in oldenburg statt.