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Alle BeitrĂ€ge zum Thema “leben”

Das alte Haus | Friedrich Hebbel

Das alte Haus

Der Maurer schreitet frisch heraus,
Er soll dich niederbrechen;
Da ist es mir, du altes Haus,
Als hörte ich dich sprechen:
„Wie magst du mich, das lange Jahr’
Der Lieb’ und Eintracht Tempel war,
Wie magst du mich zerstören?
„Dein Ahnherr hat mich einst erbaut
Und unter frommem Beten
Mit seiner schönen, stillen Braut
Mich dann zu erst betreten.
Ich weiß um alles wohl Bescheid,
um jede Luft, um jedes Leid,
Was ihnen widerfahren.
„Dein Vater ward geboren hier
In der gebrÀunten Stube,
Die ersten Blicke gab er mir,
Der muntre, krĂ€ft’ge Bube.
Er schaute auf die Englein,
Die gaukeln in der Fenster Schein,
Dann erst auf seine Mutter.
„Und als er traurig schlich am Stab
Nach manchen schönen Jahren,
Da hat er schon, wie still ein Grab,
In meinem Schoß erfahren;
In jener Ecke saß er da,
Und stumm und hÀndefaltend sah
Er sehnlich auf zum Himmel.
„Du selbst – doch nein, das sag’ ich nicht,
Ich will von dir nicht sprechen,
Hat dieses alles kein Gewicht,
So lass nur immer brechen.
Das GlĂŒck zog mit dem Ahnherrn ein,
Zerstöre du den Tempel sein,
Damit es endlich weiche! „Noch lange Jahre kann ich stehn,
Bin fest genug gegrĂŒndet,
Und ob sich mit der StĂŒrme Wehn
Ein Wolkenbruch verbĂŒndet,
KĂŒhn rag’ ich wie ein Fels empor,
Und was ich auch an Schmuck verlor,
Gewann ich’s nicht an WĂŒrde?
„Und hab’ ich denn nicht manchen Saal
Und manch gerÀumig Zimmer?
Und glÀnzt nicht festlich mein Portal
In alter Pracht noch immer?
Noch jedem hat’s in mir behagt,
Kein GlĂŒcklicher hat sich beklagt,
Ich sein zu klein gewesen.
„Und wenn es einst zum letzten geht,
Und wenn das warme Leben
In meinen Adern stillesteht,
Wird dies dich nicht erheben,
Dort wo dein Vater sterbend lag,
Wo deiner Mutter Auge brach,
Den letzten Kampf zu streiten?“
Nun schweigt es still das alte Haus;
Mir aber ist’s, als schritten
Die toten VĂ€ter all heraus,
Um fĂŒr ihr Haus zu bitten,
Und auch in meiner eigenen Brust,
Wie ruft so manche Kinderlust:
Lass stehn das Haus, lass stehen!
Indessen ist der Mauermann
Schon ins GebÀlk gestiegen,
Er fÀngt mit Macht zu brechen an,
Und Stein’ und Ziegel fliegen.
Still, lieber Meister, geh von hier,
Gern zahle ich den Taglohn dir;
Allein das Haus bleibt stehen.

Friedrich Hebbel 

Ein JĂŒngling liebt ein MĂ€dchen | Heinrich Heine

Ein JĂŒngling liebt ein MĂ€dchen

Ein JĂŒngling liebt ein MĂ€dchen,
Die hat einen andern erwÀhlt;
Der andre liebt eine andre,
Und hat sich mit dieser vermÀhlt.
Das MĂ€dchen heiratet aus Ärger
Den ersten besten Mann,
Der ihr in den Weg gelaufen;
Der JĂŒngling ist ĂŒbel dran.
Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;
Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei.

Heinrich Heine 

Mein Herz ist trauig | Heinrich Heine

Mein Herz ist trauig

Mein Herz, mein Herz ist traurig,
Doch lustig leuchtet der Mai;
Ich stehe, gelehnt an der Linde,
Hoch auf der alten Bastei.
Da drunten fließt der blaue
Stadtgraben in stiller Ruh‘;
Ein Knabe fÀhrt im Kahne,
Und angelt und pfeift dazu.
Jenseits erheben sich freundlich,
In winziger, bunter Gestalt,
LusthÀuser, und GÀrten, und Menschen,
Und Ochsen, und Wiesen, und Wald.
Die MĂ€gde bleichen WĂ€sche,
Und springen im Gras herum;
Das MĂŒhlrad stĂ€ubt Diamanten,
Ich höre sein fernes Gesumm‘.
Am alten grauen Turme
Ein SchilderhÀuschen steht;
Ein rotgeröckter Bursche
Dort auf und nieder geht.
Er spielt mit seiner Flinte,
Die funkelt im Sonnenrot,
Er prĂ€sentiert und schultert –
Ich wollt, er schösse mich tot.

Heinrich Heine 

Gefunden | Johann Wolfgang von Goethe

Gefunden

Ich ging im Walde so fĂŒr mich hin,
und nichts zu suchen, das war mein Sinn.
Im Schatten sah ich ein BlĂŒmchen steh’n
Wie Sterne leuchtend, wie Äuglein schön.
Ich wollt’ es brechen, da sagt’ es fein:
Soll ich zum Welken gebrochen sein?
Ich grub’s mit allen WĂŒrzlein aus,
zum Garten trug ich’s, am hĂŒbschen Haus,
Und pflanzt es wieder am stillen Ort.
Nun zweigt es immer und blĂŒht so fort.

Johann Wolfgang von Goethe 

Schönste Jungfrau | Heinrich Heine

Schönste Jungfrau

Ich weiss nicht, was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin;
Ein MĂ€rchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Die Luft ist kĂŒhl und es dunkelt,
Und ruhig fliesset der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.
Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kÀmmt ihr goldenes Haar.
Sie kÀmmt es mit goldenem Kamme,
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.
Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh.
Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lore-Ley getan.

Heinrich Heine 

Kritik des Herzens | Wilhelm Busch

Kritik des Herzens

Wirklich, er war unentbehrlich!
Überall, wo was geschah
Zu dem Wohle der Gemeinde,
Er war tÀtig, er war da.
SchĂŒtzenfest, KasinobĂ€lle,
Pferderennen, Preisgericht,
Liedertafel, Spritzenprobe,
Ohne ihn, da ging es nicht.
Ohne ihn war nichts zu machen,
Keine Stunde hatt‘ er frei.
Gestern, als sie ihn begruben,
War er richtig auch dabei.

Wilhelm Busch 

Der Einsame | Wilhelm Busch

Der Einsame

Wer einsam ist, der hat es gut,
Weil keiner da, der ihm was tut.
Ihn stört in seinem Lustrevier
Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,
Und niemand gibt ihm weise Lehren,
Die gut gemeint und bös zu hören.
Der Welt entronnen, geht er still
In Filzpantoffeln, wann er will.
Sogar im Schlafrock wandelt er
Bequem den ganzen Tag umher.
Er kennt kein weibliches Verbot,
Drum raucht und dampft er wie ein Schlot.
GeschĂŒtzt vor fremden SpĂ€herblicken,
Kann er sich selbst die Hose flicken.
Liebt er Musik, so darf er flöten,
Um angenehm die Zeit zu töten,
Und laut und krÀftig darf er prusten,
Und ohne RĂŒcksicht darf er husten,
Und allgemach vergisst man seiner.
Nur allerhöchstens fragt mal einer:
Was, lebt er noch? Ei, Schwerenot,
Ich dachte lÀngst, er wÀre tot.
Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,
LĂ€sst sich das GlĂŒck nicht schöner malen.
Worauf denn auch der Satz beruht:
Wer einsam ist, der hat es gut.

Wilhelm Busch 

Denk es, o Seele! | Eduard Mörike

Denk es, o Seele!

Ein TĂ€nnlein grĂŒnet wo,
Wer weiss im Walde,
Ein Rosenstrauch, wer sagt,
In welchem Garten?
Sie sind erlesen schon,
Denk es, o Seele!
Auf deinem Grab zu wurzeln
Und zu wachsen.
Zwei schwarze Rösslein weiden
Auf der Wiese,
Sie kehren heim zur Stadt
In muntern SprĂŒngen.
Sie werden schrittweis gehn
Mit deiner Leiche;
Vielleicht, vielleicht noch eh
An ihren Hufen
Das Eisen los wird,
Das ich blitzen sehe!

Eduard Mörike 

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