Das alte Haus
Der Maurer schreitet frisch heraus,
Er soll dich niederbrechen;
Da ist es mir, du altes Haus,
Als hörte ich dich sprechen:
âWie magst du mich, das lange Jahrâ
Der Liebâ und Eintracht Tempel war,
Wie magst du mich zerstören?
âDein Ahnherr hat mich einst erbaut
Und unter frommem Beten
Mit seiner schönen, stillen Braut
Mich dann zu erst betreten.
Ich weiĂ um alles wohl Bescheid,
um jede Luft, um jedes Leid,
Was ihnen widerfahren.
âDein Vater ward geboren hier
In der gebrÀunten Stube,
Die ersten Blicke gab er mir,
Der muntre, krĂ€ftâge Bube.
Er schaute auf die Englein,
Die gaukeln in der Fenster Schein,
Dann erst auf seine Mutter.
âUnd als er traurig schlich am Stab
Nach manchen schönen Jahren,
Da hat er schon, wie still ein Grab,
In meinem SchoĂ erfahren;
In jener Ecke saĂ er da,
Und stumm und hÀndefaltend sah
Er sehnlich auf zum Himmel.
âDu selbst â doch nein, das sagâ ich nicht,
Ich will von dir nicht sprechen,
Hat dieses alles kein Gewicht,
So lass nur immer brechen.
Das GlĂŒck zog mit dem Ahnherrn ein,
Zerstöre du den Tempel sein,
Damit es endlich weiche! âNoch lange Jahre kann ich stehn,
Bin fest genug gegrĂŒndet,
Und ob sich mit der StĂŒrme Wehn
Ein Wolkenbruch verbĂŒndet,
KĂŒhn ragâ ich wie ein Fels empor,
Und was ich auch an Schmuck verlor,
Gewann ichâs nicht an WĂŒrde?
âUnd habâ ich denn nicht manchen Saal
Und manch gerÀumig Zimmer?
Und glÀnzt nicht festlich mein Portal
In alter Pracht noch immer?
Noch jedem hatâs in mir behagt,
Kein GlĂŒcklicher hat sich beklagt,
Ich sein zu klein gewesen.
âUnd wenn es einst zum letzten geht,
Und wenn das warme Leben
In meinen Adern stillesteht,
Wird dies dich nicht erheben,
Dort wo dein Vater sterbend lag,
Wo deiner Mutter Auge brach,
Den letzten Kampf zu streiten?â
Nun schweigt es still das alte Haus;
Mir aber istâs, als schritten
Die toten VĂ€ter all heraus,
Um fĂŒr ihr Haus zu bitten,
Und auch in meiner eigenen Brust,
Wie ruft so manche Kinderlust:
Lass stehn das Haus, lass stehen!
Indessen ist der Mauermann
Schon ins GebÀlk gestiegen,
Er fÀngt mit Macht zu brechen an,
Und Steinâ und Ziegel fliegen.
Still, lieber Meister, geh von hier,
Gern zahle ich den Taglohn dir;
Allein das Haus bleibt stehen.
Friedrich HebbelÂ