Heinz Erhardt

Die Libelle Heinz Erhardt

Die Libelle    Liebe Libelle,
flieg nicht so schnelle!
Denk der Gefahren,
die deiner harren:
Bäume und Zäune,
Äste und Steine
auf allen Wegen!
Du fliegst dagegen!!!
Mit gebrochenen Gliedern
liegst du im Staube.
Dann kommt der Herbst,
du vermoderst im Laube …

Oder ein Vogel
wird dich erhaschen,
wird dich zerbeißen
und hastig vernaschen …

Oder ein Forscher
mit seinem Netze!
Erst tut er sachte,
dass nichts er verletze,
und freut sich stolz seines Besitzes!
Zu Hause jedoch nimmt er was Spitzes
und stichts dann
durch deine weichste Stelle:
arme Libelle!

Flieg nicht so schnelle,
genieße die Stunden,
vielleicht nur Sekunden,
die dir zum Leben
gegeben!

Scheint warm die Sonne:
Freu dich des Lichts!
Füllt Regen die Bäche,
hast du vom Leben nichts –
im Gegensatz zur Forelle!

Liebe Libelle …  Heinz Erhardt 

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Der zweifelhafte Storch Heinz Erhardt

Der zweifelhafte Storch    Du gehörst zu den’n, die den
Klapperstorch noch nie gesehn,
weil man dazu in der Stadt
wenig Möglichkeiten hat.
Und weil er dir nie erschien,
glaubst du auch nicht recht an ihn. –

Ohne Zweifel gehn dem Storch
solche Zweifel dorch ond dorch,
weshalb er dann schnell und meist
seine Existenz beweist!  Heinz Erhardt 

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Der Schatz Eine alte Volksweise Heinz Erhardt

Der Schatz  Eine alte Volksweise  Es liegt ein Schatz begraben
dort, wo der Weg sich biegt, und nur zwei alte Raben, die wissen, wo er liegt.
Noch keine Menschen haben ihn zu Gesicht gekriegt.

Nur die zwei alten Raben, die wissen, wo er liegt.
»Hü, Rösslein, du musst traben,
bald haben wir gesiegt! Ich seh zwei alte Raben, die wissen, wo er liegt!«

Ich hab am Weg gegraben,
der eine Biegung macht. Die beiden alten Raben haben sich totgelacht.
Nee, das geht nicht
Das Meer – wenn ich schon drüber spreche –
hat eine feuchte Oberfläche, die, finden keine Stürme statt,
stets ruhig daliegt, groß und glatt. Soweit wär alles schön und gut.

Doch was sich unter Wasser tut,
das zu erzähln sträubt sich die Feder: Es frisst den andern auf ein jeder!
Je größer so ein Fisch, je kesser! Dort toben Kämpfe bis aufs Messer!
(Was ganz der Wahrheit nicht entspricht, denn Fisch mit Messer geht ja nicht!)  Heinz Erhardt 

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Gedanken beim Anblick deiner Krokotasche Heinz Erhardt

Gedanken beim Anblick deiner Krokotasche    Ich badete im Ganges
(das ist eine Art Nil).
Im Ganges schwamm was Langes
auf Flügeln des Gesanges:
Das war ein Krokodil.

Es sang: »Die alten Zedern,
die blühen weiß und rot. –
Oh, hätte ich doch Federn,
wär’s Leben nicht so ledern –
besonders nach dem Tod.«  Heinz Erhardt 

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Der große weiße Vogel Heinz Erhardt

Der große weiße Vogel    Die Sekretärin, die ich hab,
heißt Fräulein Vera Kleinzig.
In Sachen Schminke und Frisur
und Kleidung ist sie einzig!
Doch stets guckt sie mich dämlich an,
wenn ich sie etwas frage,
und tippt sie einen Brief, braucht sie
dafür genau zwei Tage!
Und wenn sie einen Kaffee kocht –
na, das ist ein Gebräue …!
Doch ich bin immer nett zu ihr:
Man kriegt so schwer ’ne neue!
Drum: »Großer, weißer Vogel« nenn
ich sie, wenn sie wie ’n Zwerg schafft
denn: Sag ich »dumme Gans« zu ihr,
dann geht sie zur Gewerkschaft!  Heinz Erhardt 

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Sabinchen Heinz Erhardt

Sabinchen    Da war ein schneeweißes Karnickel,
das hatte einen schwarzen Pickel
auf der Nase.
Sprach ein Hase:
»Liebe Base,
das geht so nicht mit deiner Warze!
Es kommt ein Jäger, trifft ins Schwarze!
Du musst den Pickel heller färben,
dann lebst du lang, ohne zu sterben!«
Das tat denn auch sofort Sabinchen
(so nämlich heißt dieses Kaninchen)
und lebt heute noch ungestört …
Wie gut, wenn man auf andre hört!  Heinz Erhardt 

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’s kommt ein Vogerl geflogen Heinz Erhardt

’s kommt ein Vogerl geflogen    Ein kleiner Spatz kommt angeflattert
und hüpft auf meinen Fuß. Verdattert
entdecke ich in seinem Schnabel
ein Telegramm, und in dem Kabel
telegrafiert Andrea mir:
»Komm bald, ich sehne mich nach dir!«

Spreiz deine Flügel, kleiner Bote,
und flieg zurück zu der Geliebten
und überreich ihr meine Note,
in welcher steht, ich käm am siebten!  Heinz Erhardt 

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Drei Bären Heinz Erhardt

Drei Bären    Ein Brombär, froh und heiter, schlich
durch einen Wald. Da traf es sich,
dass er ganz unerwartet, wie ’s
so kommt, auf einen Himbär stieß.

Der Himbär rief – vor Schrecken rot –:
»Der grüne Stachelbär ist tot!
Am eignen Stachel starb er eben!«
»Ja«, sprach der Brombär, »das solls geben!«
und trottete – nun nicht mehr heiter –
weiter …

Doch als den »Toten« er nach Stunden
gesund und munter vorgefunden,
kann man wohl zweifelsohne meinen:
Hier hat der andre Bär dem einen
’nen Bären aufgebunden!  Heinz Erhardt 

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