Heinz Erhardt Gedichtesammlung

Ferien auf dem Lande Heinz Erhardt

Ferien auf dem Lande    (Ich kam mit meinem Auto an
und Koffern, sechs bis sieben.
Der Motor ging total entzwei,
so musst zuletzt ich schieben.)

Ich wohn in einem Bauernhaus.
Die Milch ist frisch und sahnig.
Die Störchin auf dem Scheunendach,
sie schäkert mit dem Kranich.
Die Kuh macht »muh« – der Ochse auch,
sind schwer zu unterscheiden,
erst wenn man melken will, merkt man
den Unterschied der beiden.
Die Bauersfrau ist jung und schön.
Ich bin bei ihr der Kranich.
Ein Ochse ist ihr Herr Gemahl. –

(Zurück fahr mit der Bahn ich!)

Die Maus jedoch spricht in dem Bau:
»Ich bin zwar klein, doch bin ich schlau!
Ich rühr mich nicht von hinnen,
ich bleibe drinnen!«

Da plötzlich hört sie – statt »miau« –
ein laut vernehmliches »wau-wau«
und lacht: »Die arme Katze,
der Hund, der hatse!

Jetzt muss sie aber schleunigst flitzen,
anstatt vor meinem Loch zu sitzen!«
Doch leider – nun, man ahnt’s bereits –
war das ein Irrtum ihrerseits,
denn als die Maus vors Loch hintritt
– es war nur ein ganz kleiner Schritt –
wird sie durch Katzenpfotenkraft
hinweggerafft! – – –

Danach wäscht sich die Katz die Pfote
und spricht mit der ihr eignen Note:
»Wie nützlich ist es dann und wann,
wenn man ’ne fremde Sprache kann…!«  Heinz Erhardt 

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Der Pv Heinz Erhardt

Der Pv    Der eitle Pv, meist schlecht gelaunt,
stolziert im Park von Hagenbeck,
und wenn wer kommt, der ihn bestaunt
– was jeder Pv recht gerne hat –,
dann schlägt er sein berühmtes Rad
und radelt langsamst damit weg!

Auch ich war jüngst bei Hagenbeck
– nur einfach so, zum Zeitvertreib –
und traf den Pv. Doch pfui! Der Geck
ging schnabelfletschend auf mich los:
Er zürnte mir! Warum denn bloß?
Doch nicht, weil ich ihn anders schreib?  Heinz Erhardt 

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Den Unverstandenen Heinz Erhardt

Den Unverstandenen    Stumm ist der Fisch, doch nicht nur er:
Auch einen Wurm verstehst du schwer.
Selbst deines treuen Hunds Gebell entzifferst du nicht immer schnell.
Und bei den Rindern, Hühnern, Schweinen kannst du nur raten, was sie meinen.
Drum spreche ich als Anwalt hier für jedes unverstandne Tier.
(Für ’n Papagei brauch ich das nicht, weil er ja für sich selber spricht.)
Tirili, piit-piit
Die Lerche schwingt sich in den Äther
und singt das Liedchen ihrer Väter: Tirili, piit-piit.
Ist’s an der Oder oder Elbe, der Text ist überall derselbe:
Tirili, piit-piit.
Vom allerersten Sonnenschimmer bis zu dem letzten singt sie immer:
Tirili, piit-piit.
Wird’s Abend, steigt sie müde nieder und steckt das Köpfchen ins Gefieder:
Tirili, piit-piit.
Wird’s wieder Tag, weckt sie die Schwestern, schwingt sich empor und singt wie gestern:
Tirili, piit-piit.  Heinz Erhardt 

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Die Q Heinz Erhardt

Die Q    Die Q ist, allgemein betrachtet, derart beliebt und auch geachtet, dass einst ein hoch gelahrter Mann für unsre Q das »Q« ersann.
So bleibt sie nun, ewig beredt, als Buchstabe im Alphabet. –
Mich wundert’s nur, dass manche Kreise abhold sind dieser Schreibeweise.

Die Q ist, allgemein betrachtet, derart beliebt und auch geachtet, dass einst ein hoch gelahrter Mann für unsre Q das »Q« ersann.
So bleibt sie nun, ewig beredt, als Buchstabe im Alphabet. –
Mich wundert’s nur, dass manche Kreise abhold sind dieser Schreibeweise.  Heinz Erhardt 

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Drei Raupen Ein Melodram Heinz Erhardt

Drei Raupen  Ein Melodram  Introduzione
Es steht in diesem Buche hier
so manch Gedicht über manch Tier –
nur über Raupen gabs noch keins!
Nun, bitte sehr, hier wär so eins!
Doch ist es (weil’s, ich will’s betonen,
für alle handelnden Personen
ein grauenhaftes Ende nimmt)
für Jugendliche nicht bestimmt!

Thema con variazioni
Drei Raupen schlossen in der Landschaft
von Südtirol ihre Bekanntschaft.
Da wurd die eine bei den Beeten
vom Gärtner hinterrücks zertreten!
Die zweite wurde unterdessen
vom Spatz erspäht und aufgefressen!
Die dritte aber – diese Raupe
verschied zu Hause an der Staupe!

Coda
Wie grausam ist doch die Natur:
Sie trachtet nach dem Leben nur!  Heinz Erhardt 

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Das Kälbchen Heinz Erhardt

Das Kälbchen    Es spielt das Kind vom Rind im Wind,
ist froh und guten Mutes.
Es kennt nicht Not, nicht den Papa,
nicht den Geruch des Blutes. –

Der Weg ist weit, der Kasten eng –
das Kälbchen ahnt nichts Gutes.
Der Schlächter ist kein schlechter Mann,
doch muss er’s tun – und tut es. –

Das Kälbchen existiert nicht mehr –
in unsern Mägen ruht es,
doch nachts erscheint es uns im Traum
und traurig muh – muh – muht es.  Heinz Erhardt 

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