Der Seufzer - ein Gedicht von Christian Morgenstern

Christian Morgenstern | Der Seufzer | Gedicht | Winter

Der Seufzer Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis und träumte von Liebe und Freude. Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß glänzten die Stadtwallgebäude. Der Seufzer dacht an ein Maidelein und blieb erglühend stehen. Da schmolz die Eisbahn unter ihm ein – und er sank – und ward nimmer gesehen. Christian Morgenstern 

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Am Strande - ein Gedicht von Rainer Maria Rilke

Rainer Maria Rilke | Strand | Flut | Land | Sand | Nachtwind

Am Strande
Vorüber die Flut.
Noch braust es fern.
Wild Wasser und oben
Stern an Stern.

Wer sah es wohl,
O selig Land,
Wie dich die Welle
Überwand.

Noch braust es fern.
Der Nachtwind bringt
Erinnerung und eine Welle
Verlief im Sand. 

Rainer Maria Rilke 

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Rainer Maria Rilke - Der Gefangene - Gedicht

Rainer Maria Rilke | Der Gefangene | Himmel | Wind

Der Gefangene 
Denk dir, das was jetzt Himmel ist und Wind,
Luft deinem Mund und deinem Auge Helle,
das würde Stein bis um die kleine Stelle
an der dein Herz und deine Hände sind.

Und was jetzt in dir morgen heißt und dann
und: späterhin und nächstes Jahr und weiter –
das würde wund in dir und voller Eiter
und schwäre nur und bräche nicht mehr an.

Und das was war, das wäre irre und
raste in dir herum, den lieben Mund
der niemals lachte, schäumend von Gelächter.

Und das was Gott war, wäre nur dein Wächter
und stopfte boshaft in das letzte Loch
ein schmutziges Auge. Und du lebtest doch. 

Rainer Maria Rilke 

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Zwischenmenschliche Beziehung - Erich Fried - Gedicht

Erich Fried | Zwischenmenschliche Beziehung | Gedicht

Zwischenmenschliche Beziehung
Weil es
menschliche Beziehungen
gab
musste es
Menschen geben

Nun gibt es
zwischenmenschliche
Beziehungen
Die lassen
auf das Dasein von Zwischenmenschen schließen

Es muss aber auch
Zwischenunmenschen geben
die dafür sorgen
dass die zwischenmenschlichen Beziehungen
so unmenschlich sind. 

Erich Fried 

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Es ist, was es ist - sagt die Liebe - ein Gedicht von Erich Fried

Erich Fried | Es ist, was es ist | Ein Gedicht über die Liebe

Was es ist
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe 

Erich Fried 

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Art Liebesgedicht von Erich Fried

Erich Fried | Liebesgedicht | Jugend | Alter

Eine Art Liebesgedicht
Wer sehnt sich nach dir
wenn ich mich nach dir sehne ?

Wer streichelt dich
wenn meine Hand nach dir sucht ?

Bin das ich oder sind das
die Reste meiner Jugend ?

Bin das ich oder sind das
die Anfänge meines Alters ?

Ist das mein Lebensmut oder
meine Angst vor dem Tod ?

Und warum sollte
meine Sehnsucht dir etwas bedeuten ?

Und was gibt dir meine Erfahrung
die mich nur traurig gemacht hat ?

Und was geben dir meine Gedichte
in denen ich nur sage

wie schwer es geworden ist
zu geben oder zu sein ?

Und doch scheint im Garten
im Wind vor dem Regen die Sonne

und es duftet das sterbende Gras
und der Liguster

und ich sehe dich an und
meine Hand tastet nach dir. 

Erich Fried 

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Heinz Erhardt - Gedicht - Zitronen

Heinz Erhardt | Zitronen | lustiges Gedicht

Warum die Zitronen sauer wurden
Ich muss das wirklich mal betonen:
Ganz früher waren die Zitronen
(ich weiß nur nicht genau mehr, wann dies
gewesen ist) so süß wie Kandis.

Bis sie einst sprachen: „Wir Zitronen,
wir wollen groß sein wie Melonen!
Auch finden wir das Gelb abscheulich,
wir wollen rot sein oder bläulich!“

Gott hörte oben die Beschwerden
und sagte: „Daraus kann nichts werden!
Ihr müsst so bleiben! Ich bedauer!“
Da wurden die Zitronen sauer . . . 

Heinz Erhardt 

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